Aufstieg zur Doldenhornhütte

Eigentlich waren wir im Elsass zum Fliegen. Wunderschön. Doch nach einer Woche Ostwind und dazu noch stark - wuchs die Lust nach mehr Bewegung - und am besten mit alpiner Kulisse.

Wollten wir nicht schon einmal auf die Doldenhornhütte und das Wetter hatte nicht gepasst? Heute und morgen könnte es gut dafür sein! Also losgefahren, ins Berner Oberland, nach Kandersteg. Wir pokerten mit etwas Wetterglück (die Prognose stellte Überentwickungen in Aussicht) und angekommen empfing uns tatsächlich freundlicher Sonnenschein mit der Aussicht, bei unserem Aufstieg zur Doldenhornhütte trocken zu bleiben.

Zwischen frühlingsgrünen Lärchen, Arven, noch nicht ganz blühenden Alpenrosen, Trollblumen, Enzian, Alpen-Aurikel und wie sie sonst noch alle heißen geht es abwechslungsreich bergauf, sprudelnde Bachläufe kreuzend, Wasserfälle und Tiefblicke im Panorama, senkrechte Felsflanken nebenan. Ein lauschiges Plätzchen lädt zur Rast ein, die Füße mal kurz mit eiskaltem Wasser umspült, dann weiter zum letzten Aufstieg durch ein Steilstufe, aber auf gutem Pfad.

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Der Berg verleiht offensichtlich hellseherische Fähigkeiten, begrüßt uns doch kurz darauf einen entgegenkommende Wanderin freundlich mit »ihr seid sicher die, die runterfliegen wollen«. Hätte sie sich nicht als Heidi, die Hüttenwirtin vorgestellt (bei der wir uns angemeldet haben), würden wir tatsächlich an die magische Kraft des Doldenhorns glauben, denn unsere H & F Ausrüstung unterscheidet sich nur unwesentlich von einem Mehrtages-Hüttentour-Gepäck.

Der Weg wird flacher, die Hütte erscheint hinter den nur wenige Meter hohen jungen Lärchen. Der Sommerschnee zieht sich zurück, die Waldgrenze steigt. Bald ist es geschafft! Der Blick nach oben zum Doldenhorn präsentiert sich imposant, eindrucksvoll die riesigen Felsplatten, über die einst (es muss wohl schon ein paar hunderttausend Jahre her sein) unvorstellbare Felsmassen ins Tal rutschten und eben dieses um etwa 400 Meter Höhe auffüllten. So entstand der heute lieblich anmutende Talboden von Kandersteg.

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Mit dem Wandel des Klimas schmelzen die Gletscher und der Permafrost taut auf. Damit kommt der Berg hier erneut in Bewegung, unterhalb des Doldenhorns ist deshalb das Gelände weiträumig für Wanderungen gesperrt.

Die SAC-Hütte der Sektion Emmental bleibt glücklicherweise davon verschont Wir haben sie inzwischen erreicht, freundlich begrüßt von Fritz, dem Chef hier oben, dabei noch kurz zuvor den potentiellen Startplatz links des Wegs inspiziert und genießen jetzt Suure Moscht, hüttengebackenen Nusskuchen und einen grandiosen Blick ins Tal. Die andere Richtung verdunkelt sich jetzt merklich und tatsächlich scheint unser Timing perfekt, nachdem wir lieber an den inzwischen eingeheizten Ofen in die gute Stube umziehen während draußen der Himmel grummelt.

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Das Abendessen ist lecker und reichlich, das Nachtlager bequem und ruhig (wir haben einen wenig frequentierten Tag erwischt und keiner der Hüttengäste schnarcht) und nach erholsamem Schlaf lockt die Morgensonne zu einem Vorfrühstücksspaziergang.

Schon zieren erste kleine Cumuli die Gipfel der Blümlisalpgruppe, die hoch trohnend über dem türkisblauen Öschinensee in weißer Pracht vor dem blauem Himmel strahlt.
Noch streicht leichter Bergwind über die bunten Bergblumen, aber die ersten Kreise eines Adlers vor der Hütte kündigen schon baldigen Flugwind an.
Also noch grad z’Mörgele mit Birchermüsli, lecker Brot und selbstgemachte Marmelade, dann die Sachen packen und auf bzw. ein paar Meter ab zum Startplatz. Der ist dann bei näherem Hinsehen auch gut: ideal geneigt, perfekt zum Wind ausgerichtet und dank einiger glatter kahler Felsplatten zwischen Heidekraut und Preiselbeeren startbar. Hüttenwart Fritz hat hier sogar eine solide Windfahne installiert!

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Die Flügel bald ausgelegt (es ist bequem Platz für mehrere), eingehängt, alles sorgfältig gecheckt, und mit einer leichten Brise Vorwind in die Luft! Eigentlich hatten wir uns auf einen gemütlichen Abgleiter eingestellt aber zur Überraschung trägt die Luft sanft und gut. Allerfeinstes Thermik-Soaring, vorbei an und über Wasserfällen, gewaltigen Felswänden mit Blümlisalp- und Öschiennsee-Panorama, tief unten das liebliche Kandertal und nordwärts die Streckenflugrennstrecke der Niesenkette im Blick. Wir sind im Endorphinrausch, fotografieren, spielen mit unseren Flügeln, genießen dieses Geschenk und vergessen jede Zeit.

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Ein Blick zum Windsack am Landeplatz weckt uns wieder auf, der ist zwar winzig weil noch tief unter uns, steht aber inzwischen stramm und deutet auf zunehmenden Talwind hin. Das Landen erfordert dann auch einige Konzentration, Thermik und strammer Wind halten die Luft gut in Bewegung. Aber der Landeplatz ist groß, unsere Flügel sind brav und der Boden empfängt uns sanft. Und von einer Einheimischen werden wir auch noch auf einen kalten Willkomenstee eingeladen, den wir dankbar annehmen.

Was für ein Erlebnis, so aussichts- und abwechslungsreich, so überraschend flugschön. Erfüllt und dankbar genießen wir noch am Waldrand ein herzhaftes Stück Schweizer Bergkäse und einen guten Espresso. So kann das Leben weiter gehen!

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Infos zur Tour

  • Charakter: relativ einfache H & F Tour, landschaftlich reizvoll, fliegerisch je nach Bedingungen mäßig schwierig bis anspruchsvoll.
  • Ausgangspunkt: Kandersteg, Parkplatz der Öschinenbahn (Gebürhrenpflichtig) oder Wanderparkplatz rechts des Öschibachs (Gebührenfrei), ca, 1200 m MSL
  • Aufstieg: abwechslungsreicher Hüttenaufstieg auf gut Markiertem Weg, ca. 700 hm, Schwierigkeit T2 (einfach). Trittsicherheit erforderlich, ca. 2,5 Std. vom Landeplatz. Hinweisschilder zu Wegsperrungen unbedingt beachten (Felssturzgefahr).
  • Hütte: SAC Sektion Emmental, 1917 m MSL Hüttenbewartung Heidi und Fritz www.doldenhornhuette.ch . Vegetarische sowie glutenfreie Kost nach Anmeldung möglich, sehr nettes Hüttenpersonal und gutes Essen! Reservierung empfohlen. Erweiterung für 2024 geplant (Bauarbeiten, Heli-Betrieb).
  • Startplatz: großzügig und mit Windfahne (Stand Juni 2023), überwiegend bewachsen mit Heidekraut, Preiselbeeren und niedrigem Borstengras. ca. 10 min. von der Hütte Richtung Westen auf dem Hüttenweg absteigen. Weitere Startmöglichkeiten in den Geröllfeldern unterhalb der großen Platten.
  • Flugweg: entweder direkt zum offiziellen Landeplatz an der Öschinenbahn (groß und einfach) mit Windfahne. Parkende Autos in unmittelbarer Nähe, vorher besichtigen - oder über den Felsflanken im Talwind soaren bzw. thermischen Anschluss finden. Kabel der Materialseilbahn zur Hütte beachten.
    Im Sommer starker Talwind, anspruchsvolle Landung bei thermischen Bedingungen.
  • Beste Jahreszeit: Juni-September.

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